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Von "Yassas" zurück nach "Grüezi"

  • Jolien & Mirko
  • 31. Dez. 2020
  • 8 Min. Lesezeit

Verrückt, aber ja, dies ist unser letzter Blogeintrag! Seit fast zwei Monaten sind wir wieder Zuhause und bevor die schönen Reiseerinnerungen verbleichen, möchten wir unsere letzten Monate auf dem Rad in mit diesem Eintrag nochmals Revue passieren lassen.

Vor dem Fenster herrscht gerade reges Schneetreiben und es ist kaum vorstellbar, dass wir vor drei Monaten bei schweisstreibenden Temperaturen die Grenze zu Griechenland überquert haben. Während an der Grenze alle Autofahrer penibelst genau kontrolliert und teils nochmals auf Corona getestet wurden, hat man uns dort quasi durchgewunken. Einen Blick auf unsere ID's reichte. Niemand hatte wirklich Interesse an unserem Corona-Testresultat. "Oh you have test?", lachte einer der Grenzbeamten als wir ihm unseren Zettel zeigen wollten und winkte uns mit einem "It's okay, no problem!" durch, ohne auch nur einen Blick auf unsere angeblich obligatorischen Tests geworfen zu haben. Mannnn, da hätten wir uns die 50 Franken pro Test gleich sparen können! Genervt haben wir uns deswegen aber nur kurz, denn die Vorfreude auf das neue Land und seine Leute war riesig.


Der Unterschied zu Bulgarien war massiv! Die Dörfer wirken belebt, überall gibt es kleine Cafés oder Restaurants und die Gebäude sind deutlich besser in Schuss als dies noch in Bulgarien der Fall gewesen war. Diese ersten Eindrücke waren ein willkommener Wechsel!

Wir fuhren durch den landwirtschaftlich geprägten Norden entlang etlicher Olivenbaumplantagen und Getreidefelder. Der heisse Sommer hatte auch hier für enorme Trockenheit gesorgt und mit Temperaturen bis zu 40°C war es auch im September nicht wirklich kühler geworden. Bei solch hohen Temperaturen zu fahren ist zwar anstrengend, doch um ein Vielfaches mühsamer, um nicht zu sagen unausstehlich, sind die kleinen Fliegen die einem konstant um den Kopf schwirren. Es ist wirklich keine Übertreibung: mindestens fünfzig kleine Schmeissfliegen flogen uns um die Ohren, krochen in die Nasenlöcher und setzten sich gemütlich auf die Wange um sich an unserem Schweiss die Mägen vollzuschlagen....aaaaargh!!! Nein, nicht mal schreien konnten wir, sonst wären nämlich gleich noch zehn Stück davon im Mund gelandet. So was nennt man eine "mental Challenge"!

Beim Erreichen des Mittelmeers waren dann die Fliegen verschwunden und vergessen. Das glasklare Wasser, die lieblichen Buchten und das leckere Essen verzauberten uns. Wir gingen es bei der Umrundung der Halbinsel "Sithonia" gemütlich an und genossen das Schwimmen und Schnorcheln an den traumhaften Stränden und gönnten uns den ein oder anderen Ouzo. Nach dieser erholsamen Woche auf Sithonia gings für uns weiter via Thessaloniki nach Nordmazedonien.

Der trockene Sommer hatte dafür gesorgt, dass nun die Dornenpflanzen "in voller Blüte" standen und wir dies regelmässig in Form eines platten Reifens zu spüren bekamen. Nicht einmal auf der Autobahn entkamen wir den fiesen kleinen Stechpflanzen. Yep genau, mit dem Fahrrad auf der Autobahn: wir befanden uns mit Ausnahme von ein paar wenigen Lastwagen alleine auf der Autobahn Richtung Nordmazedonien. Perfekte Strassenverhältnisse und kein Verkehr, wenigstens ein "Vorteil" von Corona.


In Nordmazedonien angelangt veränderte sich das Klima schlagartig. Man ist umgeben von dicht bewaldeten

Bergen und in den Tälern kühlt es in der Nacht massiv ab. Zum ersten mal seit langem hatten wir morgens wieder Tauwasser am Aussenzelt. Wir genossen das Fahren bei kühleren Temperaturen sehr. Am zweiten Tag in Normazedonien trafen wir seit einer gefühlten Ewigkeit wieder einen Radreisenden an. Till, ein junger Deutscher Bikeguide auf dem Nachhauseweg von Griechenland. Er war - logischerweise - mit seinem Mountainbike unterwegs, ohne Packtaschen dafür aber mit einem 40L-Rucksack auf dem Rücken, RESPECT! Wir verbrachten gemeinsam einen schönen Abend und am nächsten Tag trennten sich unsere Wege auch gleich wieder. Für Till gings Richtung Skopje und wir tasteten uns langsam ins mazedonische Gebirge vor mit dem Ziel "Ohridsee".

Die Traubenernte war gerade voll im Gang und gefühlt jedes noch so kleine Auto war bis obenhin vollgestopft mit riesigen, prallgefüllten Plastiksäcken mit Trauben. Neben der Weinindustrie betreibt Nordmazedonien auch grossflächigen Tabakanbau. Wir fuhren vorbei an riesigen Tabakfeldern und vielerorts wurden die Blätter am Strassenrand getrocknet...und man hätte gemeint, dort auch noch gleich geraucht. Denn im Balkan scheint noch nicht ganz durchgedrungen zu sein, dass Rauchen keine Tugend ist. Frauen, Männer, Jung und Alt rauchen hier alle wie Bürstenbinder. Weiter beobachteten wir auch den fleissigen Verkauf von Brennholz. In jedem Haus und jeder Überbauung wird hier, wie in den meisten ex-jugoslawischen Ländern, noch mit Holz geheizt. Die Luftqualität in den Wintermonaten muss hier katastrophal sein, zumal die Städte von Bergen eingekesselt sind.


Den "Ohridsee" erreichten wir mit etwa drei Tagen Verzögerung. Grund: eine mazedonische Wespe fand wohl, wir sollten es etwas langsamer angehen und hatte Mirko am Fuss erwischt. Dieser sah am nächsten Abend aus wie ein saftiger Rollbraten - der Fuss, nicht Mirko! Uns blieb nichts anderes übrig als in Prilep für ein paar Tage die Füsse hochzulegen. Doch um nach Prilep zu gelangen mussten wir zuerst noch einen Pass überwinden. Der Zufall wollte es, dass uns ein älteres Ehepaar spontan anbot, auf der Ladefläche neben der Traubenernte mitzufahren. Diese Mitfahrgelegenheit hätte zu keinem besseren Zeitpunkt kommen können. Sorry, abgeschweift, wir waren ja bereits beim Ohridsee.

Die Gegend um den See mit der schönen Altstadt von Ohrid und dem wilden Galicica Nationalpark gefiel uns sehr. Es erinnerte uns ein wenig an die Seen zu Hause. Mit dem Verlassen des Ohridsees war auch unsere kurze, aber schöne Zeit in Nordmazedonien vorbei und es erwartete uns Albanien.


Während die Nordmazedonier freundlich, aber eher zurückhaltend gewesen waren, wurden wir in Albanien mit lauten "Welcome"-Rufen und vielen Kaffeeeinladungen begrüsst. Sogar die Polizei rief uns mit ihrem Megaphon zu: "Welcome to Albania!". Es ist immer wieder spannend welche Unterschiede man nach nur wenigen Kilometern in einem neuen Land feststellen kann. Irgendwie erinnerten uns die Leute und ihre Offenheit an den Beginn unserer Reise in Malaysia.

Wir radelten während einer Woche durch Albanien und durchquerten verlassene, wunderschöne Bergregionen aber auch dicht bebaute Städte und Küstengebiete. Durch die Begegnungen mit der Bevölkerung merkten wir bald, dass die Albaner ein äusserst stolzes Volk sind. Immer wieder wurde uns ausführlich die Geschichte des Landes und ihrer Nationalhelden erzählt und betont, dass das albanische Volk bereits am längsten in dieser Region sei und vielen Kriegen standgehalten hat. Doch nicht nur der ausgeprägte Nationalstolz sondern auch die unglaubliche Gastfreundschaft der Albaner wird uns in bester Erinnerung bleiben. In Tirana durften wir zwei Tage mit Sajmir und seiner Familie verbringen. Wir wurden dort rundum verwöhnt mit Frühstück, Kaffee und natrülich ein paar obligaten "Raki". Nach Tirana gings für uns auf direktem Weg nach Montenegro, denn unser zweites Corona-Testresultat war nur für 72 Stunden gültig.


Montenegro sorgte mit seiner Küstenlandschaft gleich zu Beginn für einen Wow-effekt. Die steil abfallenden Berge direkt an der Küste boten ein eindrückliches Bild....und auch einige Höhenmeter. Dafür wurden wir aber immer wieder mit reizvollen Abfahrten und schönen Buchten belohnt. Das Wetter war genial und wir genossen die angenehmen Spätsommertemperaturen und wunderschöne Sonnenuntergänge an den fast leeren Stränden der Adriaküste. Jeden Tag gönnten wir uns nach der ersten Stunde auf dem Rad eine Pause bei einer "Pekara". Die lokalen Bäckereien gibt es wie Sand am Meer und sie verkaufen die leckersten Süssgebäcke. Als Radfahrer hat man zudem die gute Entschuldigung die Kalorien ja eh zu verbrennen und somit kein schlechtes Gewissen haben zu müssen, wenn man sich jeden Tag was Leckeres aus der Pekara gönnt!


Nach einer knappen Woche befanden wir uns bereits an der Grenze zu Kroatien. Die Strassenqualität und die Preise verrieten uns, dass wir wieder in einem der wirtschaftlich besser dastehenden Balkanländer angelangt waren. Der Tourismus ist hier enorm etabliert. An jeder Ecke gibt es Ferienwohnungen und Campings sind in allen möglichen Grössen und Ausstattungsvarianten auffindbar. Wirklich erstaunt hat uns dies aber nicht, denn die kroatische Küste ist traumhaft schön und es ist somit nachvollziehbar, dass es viele Touristen hierhin zieht. Zwischen den grösseren Städten wie Dubrovnik, Split, Zadar und Rijeka ist die Küste deutlich ruhiger und verzauberte uns mit ihrer Schönheit. Am bestenschaut ihr euch einfach die Bilder an ;-).

Ein weiteres Highlight in Kroatien waren die vielen Treffen mit anderen Radreisenden. Alle waren auf dem Weg in den Süden und so waren die Treffen oft nur kurz aber deshalb nicht weniger schön. Es tat unglaublich gut, sich mit ihnen auszutauschen und über das Radfahrerleben zu diskutieren, sinnieren und zu lachen.


Nach drei Wochen Kroatien fassten wir unser nächstes Ziel ins Auge: Venedig! Wir starteten in Rijeka und fuhren dort quasi senkrecht nach oben bis an die slowenische Grenze. In der Hochebene angelangt wurde uns rasch klar, der Herbst ist da! Die Bäume zeigten sich in allen möglichen Orange- und Rottönen und auch die Temperaturen waren nochmals merklich gesunken. In der Ebene um den Golf von Venedig kam dann auch noch der dichte Nebel dazu und kaum Möglichkeiten zum Wildcampen. Aber "Bella Italia" zeigte sich in den Tagen danach von seiner schönsten Seite. Aufgestellte Menschen, leckeres Essen und die Stadt Venedig. Wir hätten nicht gedacht, dass wir auf unserer Reise hier landen würden und waren umso glücklicher, dass wir nun dort waren. Die Stadt strahlt eindeutig etwas Magisches aus, sogar in Coronazeiten. Wir genossen während drei Tagen das italienische Flair in und um Venedig und planten unsere letzte Reiseetappe. Wir entschieden uns mit dem Zug von Venedig nach München zu reisen um dann von dort aus die letzten Kilometer nach Hause zu radeln. Auf diese Weise konnten wir die Alpen umgehen oder in Mirkos Worten ausgedrückt: "Ich be sicher ned so blöd ond fahre es zwoits Mal öber d'Alpe!".


So starteten wir also in München zu unseren letzten Kilometern nach Hause. Bei Eric, unserem schweiz-französischem Warmshower-Host wurden wir mit einem Top-Frühstück verwöhnt und fuhren bei kalten 8°C und leichtem Nieselregen los. Leider blieb es nicht bei Niesel sondern der Regen wurde stets heftiger und wir immer nässer. Wir hatten es versäumt uns eine trockene Unterkunft zu organisieren und so stellten wir, bis auf die Unterwäsche durchnässt, im Regen das Zelt auf. Am Morgen hatte es immer noch nicht aufgehört zu regnen und so blieb uns nichts anderes übrig als wieder im Regen das Zelt einzupacken. Auf unserer gesamten Reise habe ich Mirko NIE so oft und intensiv zu sich selber Fluchen hören wie an diesem Regentag: "MIRKO, DU BESCH DE DÜMMST HUERE SIECH WOS GID! CHALT HESCH OND NASS BESCH, NOME WELL Z'BLÖD BESCH EN UNTERKUNFT Z'ORGANISIERE!" Yep, Nässe und Kälte ist nicht sein Ding. Da hat sogar Jolien gemerkt, dass auch mit "darüber reden" Mirkos Laune nicht mehr zu retten war. "Huere Schissdräck, gopfertelli!".

Das Wetter und damit auch Mirkos Gemütszustand wurden zum Glück wieder besser und es blieb vor allem trocken. Wir fuhren entlang dem "Bodensee-Königsee-Radweg" und waren begeistert vom perfekten Zustand der Radwege. So hatten wir ausreichend Zeit die prächtige Natur Oberbayerns und des Allgäus mit dem Märchenschloss "Neuschwanstein" zu bestaunen. Der Blick auf die verschneiten Bergspitzen und die Landschaft verriet uns, es ist nicht mehr weit.


Und plötzlich waren wir am Bodensee und wenige Kilometer weiter hiess es: "Grüezi mitenand"! Einmal mehr auf dieser Reise zeigte sich die Schweiz von ihrer schönsten Seite. Wir hatten Bombenwetter als wir entlang des Rheins nach Sargans und dann zum Walensee radelten. Die eindrücklichen Churfisrten zeigten sich in den schönsten Herbstfarben. Die letzte Nacht im Zelt verbachten wir direkt am Ufer des Walensees. Es wird einer der Top-Campingspots unserer Reise.

Vom Walensee fuhren wir nach Rapperswil und überraschten Mirkos Gott, die sich vor Freude kaum mehr einkriegte. Weiter gings nach Zürich zu Hannah, Luca und Lou. Wir wollten uns die Gelegenheit nicht entgehen lassen, sie noch ein letztes Mal auf unserer Reise zu treffen. Danach waren unsere Eltern dran. Sie wussten zwar, dass wir auf dem Nachhauseweg waren, hatten aber keine Ahnung wann genau wir ankommen würden. Dementsprechend gross war die Freude als wir sie überraschten.


Und dann war es soweit, die wirklich letzte Tagesetappe stand an. Von Cham aus pedalten wir nach Luzern und standen plötzlich wieder vor unserer Haustüre. Der Moment war intensiver und emotionaler als wir es ewartet hatten. Wow, waren wir wirklich mit dem Velo ans Schwarze Meer und zurück gefahren!?! Ach ja, und in Asien sind wir ja auch noch rumgeradelt!?! Voll geil!!


Die ersten Tage liefen wir noch etwas verloren in unserer Wohnung rum, trugen hauptsächlich unsere Reisekleider und konnten es noch nicht richtig fassen, wieder Zuhause zu sein. Gleichzeitig genossen wir aber auch die Vorzüge der eigenen vier Wände und schätzten es sehr, wieder mit mehreren Töpfen zu kochen oder auch ein eigenes Bad zu haben.


Wir sind unendlich Dankbar dafür, was wir in diesem verrückten Jahr alles erleben und erfahren durften. Wir hatten uns gewünscht, dass es spannend, herausfordernd, schön, mal einfach und mal schwierig wird und vor allem, dass wir glücklich und gesund wieder Zuhause ankommen würden, mit Sackoschen voller Geschichten und Erfahrungen!


Rückblickend wurden alle unsere Wünsche mehr als erfüllt und wir könnten nicht dankbarer sein!

Wenn wir etwas in diesem Jahr gelernt haben ist es, dass nicht immer alles nach Plan läuft und genau das ist gut so!


Schön habt ihr unsere Reise mitverfolgt! Wir wünschen euch allen ein gutes Jahresende und nur das Beste fürs 2021!



 
 
 

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