„Ufe-Abe-Ufe-Abe“ - Hello Alps!
- Jolien & Mirko
- 29. Juni 2020
- 4 Min. Lesezeit
Das Alpenland hat uns gleich mit dem schönsten Wetter in Empfang genommen. Der erste Pass, der "Col de la Croix", hatte es sogleich in sich und war ein Vorgeschmack auf die vielen weiteren Höhenmeter die noch folgen würden. Trotz des schweisstreibenden Aufstiegs waren wir hin und weg von der Prachtsaussicht auf "Les Diablerets" und genossen nach den sanften Juragebirgen nun den Anblick der rauhen Gesteinsformationen und verschneiten Gipfel.
Über den "Col du Pillon" gelangten wir ins Berner Oberland und mischten uns für einen überteuerten Kaffee unter die "High Society" in Gstaad. Wir fühlten uns wie Unverkleidete an der Luzerner Fasnacht. Die Menschen übertrafen sich gegenseitig mit ihrer extravaganten Garderobe und ihrem fragwürdigen Verhalten. Nach Gstaad kamen wir dann in den Genuss des authentischen Berner Oberlandes mit seinen wunderbar verzierten Bauernhäusern, dem entspannten Dialekt und der traumhaften Aussicht auf die berühmten Gipfel von Eiger, Mönch und Jungfrau. Die Gegend um den Thunersee hatte es uns angetan und so entschieden wir uns kurzerhand für eine Zusatzschlaufe via Brienzersee - Meiringen - Rosenlaui bis nach Grindelwald. Der Umweg hat sich tausendfach gelohnt und das Rosenlauital ist ein wahres Schmuckstück! So nah von Luzern, unglaublich dass wir vor unserer Reise noch die da gewesen waren!
Vom schönen Grindelwald liessen wir es gemütlich runter an den Thunersee rollen, um uns anschliessend wieder aufwärts Richtung Kandersteg hochzupedalen. Im Kandertal hatten wir erstmals richtig Mühe einen guten, versteckten Schlafplatz zu finden. Praktisch alles ist eingezäunt, überall wird auf das Campingverbot hingewiesen und nirgends fand sich ein bewohnter Hof, an dem man anklopfen und um ein Zeltplätzchen hätte bitten können. Hungrig und müde entschieden wir, uns direkt neben dem Wanderweg durch das dickste Dickicht hindurchzukämpfen - wohlgemerkt mit dem vollgepackten Velo - und die Nacht in unseren Hängematten zu verbringen. Wir haben es noch keinen Moment bereut die recht schweren Hängematten aus Thailand mitgenommen zu haben. Sie sind eine geniale Alternative in "unzeltbarem" Gelände! Der Nachteil einer Übernachtung im dichten Wald: Zecken! Yep, eine penibelst genaue Zeckenkontrolle ist mittlerweile ein fester Bestandteil unseres Tagesprogramms geworden, denn diese Sch****viecher beissen sich echt an den unmöglichsten Stellen fest!Nach der "Bush-Nacht" im Kandertal waren wir für das Erreichen des Wallis auf den Zug angewiesen. Somit lösten wir ein Ticket für die kürzestmögliche Strecke durch den Lötsschbergtunnel. Kostenpunkt von Kandersteg bis Goppenstein ohne Halbtax: 15 Franken für 15 Minuten Zugfahrt pro Person inkl. Fahrrad! Der Entscheid danach war einstimmig: Für uns gibt's vorerst keine längere Zugfahrt mehr in der Schweiz.
In Goppenstein angelangt freuten wir uns auf die Abfahrt auf der alten Lötschentalstrasse. Zu früh gefreut, denn die Durchfahrt war gesperrt. Zu unserem Glück trafen wir auf zwei Wanderer, die uns mit etwas mehr Infos versorgten. Die Strasse an sich sei nicht das Problem, dafür aber die weggespülte Brücke unten im Tal. Sie empfahlen uns eine Alternativeroute via Wanderweg. Die Route erwies sich als ein super Singletrail. So wurden unsere Fahrräder einmal mehr auf ihre "Biketauglichkeit" getestet und bestanden die Prüfung mit Bravour. Im Rhonegebiet angekommen entdeckten wir die atemberaubende Umgebung um Ergisch und hatten auch hier einmal mehr das Glück bei Freunden unterzukommen und die warmen Pfingsttage mit Wandern, Lesen und Entspannen zu verbringen. Nach dem sonnigen Start im Wallis wurden wir für die kommenden Tage leider von wechselhaftem und teils auch sehr regnerischem Wetter begleitet. Trotzdem baten die kurzen Aufhellungen geniale Ausblicke auf die Walliser Berge. In der Bettmeralp und im Binntal sassen wir das nasse Wetter aus und sammelten unsere Kräfte für die grösseren Pässe die nun folgen würden.
Es hatte sich ausgeregnet und wir waren bereit einige Höhenmeter zu vernichten. In den fünf folgenden Tagen bezwangen wir Furka, Gotthard und Passo del' Uomo/Lukmanier. Während wir auf dem Furkapass nonstop von Motorrädern überholt worden waren, war es auf dem Gotthardpass deutlich ruhiger....aber auf der alten "Tremola" auch deutlich holpriger. Mit dem Passo del' Uomo hatten wir uns mal wieder eine etwas ungewöhnliche und somit auch anstrengende Route ausgesucht. Mehrere schnee-- und geröllbedingte Schiebepassagen verlangten uns einiges ab. Einmal mehr wurden wir dafür aber mit unbezahlbaren Aussichten belohnt! Zusätzliche Motivation für unsere Bergetappen erhielten wir in diesen Tagen durch spontane Besuche unserer Familien.
Über den Lukmanierpass gelangten wir ins Bündnerland und genossen die angenehme Fahrt durch die Surselva entlang der eindrücklichen Rheinschlucht bis nach Bonaduz. Weiter gings nach Tiefencastel und schon lag der nächste "Hügel" - der Albulapass - vor uns. Ein Glück, dass wir vorher noch nie mit dem Auto über den Albula gefahren waren und somit nicht wussten wie unendlich laaaaang dieser Anstieg sein würde. Wieder mal liess uns die Natur mit ihrer Schönheit unsere erschöpften Beine vergessen und wir bissen uns bis zur Passhöhe durch. Zugegeben, man ist schon recht stolz wenn man es mit seinem 45kg schweren Packesel aus eigener Kraft auf den Gipfel schafft! Wir waren endlich im Oberengadin angelangt und gesellten uns zu Fränzi, Ralf und unseren Gottenkindern auf den Camping in Silvaplana. Fünf Tage ohne Ein- und Auspacken, gute Gesellschaft und leckeres Essen, was für ein Genuss!
Nach Silvaplana trennte uns lediglich noch der Ofenpass und das Münstertal von der Grenze zu Italien. Die Schweiz durch diese traumhafte Gegend zu verlassen war ein absolutes Highlight! Wir fühlten uns regelrecht nach Kanada oder Neuseeland versetzt.
Begonnen hat unsere Tour de Suisse noch begleitet von Wehmut über den Abbruch unserer ursprünglichen Pläne. Nach zwei Monaten beenden wir nun aber unsere Schweizreise mit einer tiefen Dankbarkeit darüber, dass wir unser faszinierendes und unfassbar vielfältiges Land mit dem Rad neu entdecken durften.
Nun gehts für uns weiter auf Osteuropa-Erkundungsreise. Wir freuen uns riesig auf das Unbekannte und melden uns dann wieder mit neuen Erlebnissen.
Bis dahin, "Servus" aus dem Südtirol
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